Wenn der Bagger einen wertvollen, alten Baum des Nachbarn zerstört
Zerstört der Baggerfahrer beim Aushub einer Baugrube die Wurzeln des Baumes auf dem Nachbargrundstück, haftet möglicherweise der Bauherr und nicht der Bauunternehmer. In diesem Fall musste der Bauherr Schadenersatz in fünfstelliger Höhe für einen alten Walnussbaum bezahlen. Warum der Bauherr haftete und nicht der Bauunternehmer.
Der Fall
Auf dem Grundstück der Kläger stand nahe der Grundstücksgrenze zu den Beklagten ein alter Walnussbaum. Die Beklagten planten auf ihrem Gelände die Errichtung eines Hauses. Die Baugenehmigung enthielt umfangreiche, detaillierte Auflagen zum Schutz des Baums. Die Beklagten beauftragten eine Baufirma mit Erdarbeiten. Bei der Errichtung der Baugrube beschädigte die Firma mit einer Baggerschaufel die Baumwurzeln. Nach einem mehrmonatigen behördlich verfügten Baustopp und einer gerichtlichen einstweilige Baueinstellung sowie einer gutachterlichen Wertfeststellung musste der Baum gefällt werden. Die Kläger verlangten Schadenersatz in fünfstelliger Höhe.
Die Folgen
Sie obsiegten. Die Kläger haben Anspruch auf Schadenersatz wegen der Verletzung ihres Eigentums (§ 823 I BGB) durch die beklagten Nachbarn. Denn die Zerstörung eines Baums ist eine Beschädigung des Grundstücks, auf dem er steht – hier das Grundstück der Kläger. Zwar hatte die Baufirma die Baumwurzeln beschädigt. Für Handlungen von Baufirmen muss der Bauherr in der Regel auch nicht einstehen. Die Beklagten waren, da sie eine Gefahrenlage geschaffen hatten, jedoch grundsätzlich verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern. Diese Verkehrssicherungspflicht umfasst die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Jene Maßnahmen kannten die Beklagten, denn sie waren in der Baugenehmigung aufgeführt. Die Beklagten hatten die Verkehrssicherungspflicht auch nicht vertraglich auf die Baufirma übertragen.
Was ist zu tun?
Ein Bauherr als Auftraggeber kann seine Verkehrssicherungspflicht am Bau bzw. auf der Baustelle auf als zuverlässig geltende, sachkundige Architekten oder Bauunternehmer übertragen. Ihm verbleiben dann Koordinierungs-, Anweisungs- und Überwachungspflichten. Für eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht bedarf es indes einer klaren Absprache. Der Übertragende muss sich vergewissern, dass der Übernehmende bereit und in der Lage ist, die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Dazu reicht ein bloßer Hinweis auf die Baugenehmigung im Zweifel nicht aus. Hinzu kam hier die Besonderheit, dass die Beklagten nicht nur täglich auf der Baustelle waren, sondern auch das Vorhaben als Architekten selbst geplant hatten und die verantwortliche Bauleitung waren. Als Berechnungsgrundlage für Baumschäden wird die „Methode Koch“ angewandt, ein anerkanntes Sachwertverfahren. (redigiert von Monika Hillemacher)
Quelle:
Autorin: Rechtsanwältin Katharina Feddersen von Osborne Clarke aus Ausgabe IZ (Immobilien Zeitung) 33/2023
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2023, Az. 12 U 92/22
Foto- Quelle: https://www.freepik.com/premium-photo/improving-environment-mulcher-processing-branches-weeds_37969314.htm